Hüftdysplasie bei Babys und Kleinkindern

Bei der Hüftdysplasie handelt es sich um eine Gelenkfehlstellung im Bereich der Hüfte. Dabei ist die Hüftgelenkspfanne ungenügend ausgebildet, sodass der Hüftkopf des Oberschenkels nicht fest in der Pfanne sitzt. In schweren Fällen tritt eine Hüftluxation auf, bei der der Hüftkopf aus der Gelenkpfanne herausrutscht.

Die Hüftdysplasie ist die häufigste angeborene Skeletterkrankung und findet sich in deutlich höherer Zahl bei Mädchen als bei Jungen. Insgesamt sind 2 bis 4 Prozent aller Babys betroffen, bei 0,5 bis 1 Prozent der Betroffenen kommt es zu einer Hüftluxation.

Die Gründe für die Hüftdysplasie und Hüftluxation sind vielfältig. Genetische Faktoren (familiäre Häufung), Beckenendlage, Platzmangel in der Gebärmutter bei Fruchtwassermangel oder Zwillingsschwangerschaften können Ursachen sein.

Diagnose der Hüftdysplasie im Säuglingsalter

Hüftsonographie bei einem Säugling

Bei ärztlichen Untersuchungen im Säuglingsalter kann eine verminderte Abspreizung der Beine auf eine Hüftdysplasie hinweisen. Eine Beinverkürzung und ein Schnappen im Bereich des Hüftgelenkes können Zeichen für eine Hüftgelenksluxation sein. Ganz wichtig ist, dass eine unauffällige klinische Untersuchung das Vorliegen einer Hüftgelenksdysplasie nicht ausschließt. Hierzu ist immer eine Ultraschalluntersuchung der Hüftgelenke erforderlich.

Fast alle Strukturen des Säuglingshüftgelenkes sind noch knorpelig angelegt. Sie verknöchern erst im Laufe des Wachstums. Die Ultraschalluntersuchung ist daher im 1. Lebensjahr die Methode der Wahl, um die Diagnose einer Hüftgelenksdysplasie und -luxation zu stellen. Mit dem Ultraschall wird auch der Therapieverlauf beurteilt. Eine Röntgenuntersuchung ist in der Regel nicht erforderlich.

Eine Ultraschalluntersuchung der Hüftgelenke erfolgt im Rahmen der U3. Es ist sehr wichtig, dass Sie mit ihrem Kind diese Untersuchung wahrnehmen. Wird die Diagnose einer Hüftdysplasie oder Hüftluxation erst später gestellt sind die Erfolgsaussichten der Therapie schlechter.

Wenn Risikofaktoren für eine Hüftdysplasie bestehen, wie z.B. Beckenendlage oder eine familiäre Belastung empfehlen wir, direkt nach der Geburt eine Ultraschalluntersuchung der Hüftgelenke durchzuführen.

Therapie der Hüftdysplasie und Hüftluxation im Säuglingsalter

Die Behandlung der Hüftdysplasie oder Hüftluxation richtet sich nach dem Ergebnis der Ultraschalluntersuchung. Die Hüftgelenke werden hierbei in ihrer Form beurteilt und es werden der sogenannte „Knochenwinkel Alpha“ und der „Knorpelwinkel Beta“ bestimmt. Hierdurch wird eine Einteilung in die verschiedenen Hüfttypen nach Graf (Typ I - IV) vorgenommen.

 

  • Behandlung mit der Nachreifungsorthese

    Liegt eine Hüftdysplasie vor (Hüfttyp IIb/IIc stabil), ist die Behandlung mit einer Nachreifungsorthese erforderlich. Hierzu wird sehr häufig eine sog. Tübinger-Hüftbeugeschiene oder eine Mittelmeierspreizhose verwendet. Die Beinchen werden hierbei in Beugung und leichter Abspreizung gehalten. Die Schiene sollte konsequent für 23 von 24 Stunden getragen werden und darf nur zur Pflege abgenommen werden. Es erfolgen regelmäßige Ultraschallkontrollen etwa alle 4 Wochen. Hierbei wird auch kontrolliert, ob die Schiene noch gut passt. Die Behandlung wird so lange fortgeführt bis sich in der Ultraschallkontrolle die Hüftgelenkspfanne gut ausgebildet zeigt, also ein Hüfttyp I nach Graf vorliegt.

  • Behandlung mit der Repositionsorthese

    Zeigt sich bei der Ultraschalluntersuchung ein instabiles oder luxiertes Hüftgelenk (Hüfttyp IID, III, IV), wird bei jüngeren Kindern zunächst versucht, das Hüftgelenk mit einer sog. Repositionsorthese zu stabilisieren, bzw. in die Pfanne zu bringen. Hierzu wird die Pavlikbandage verwendet, eine Tübingerschiene kann hier nicht helfen. Die Pavlikbandage muss konsequent angelegt bleiben und darf nicht abgenommen und gegebenenfalls falsch wieder angelegt werden. Die Passgenauigkeit der Bandage sollte regelmäßig überprüft werden. Zeigt sich nach vier Wochen in der Ultraschalluntersuchung eine Besserung des Befundes, wird die Therapie fortgesetzt. Zeigt sich keine Besserung, ist die Anlage eines Becken-Bein Gipses erforderlich.

  • Behandlung mittels Becken-Bein Gips

    Ziel der Becken-Bein-Gips-Behandlung ist es, den Hüftkopf in die Hüftgelenkspfanne zu bringen und in dieser Position zu halten, damit sich eine stabile Situation entwickelt. Der Becken-Bein-Gips wird in Narkose angelegt. Es wird zusätzlich ein Kontrastmittel in das Hüftgelenk gegeben, um alle Strukturen des Hüftgelenkes beurteilen zu können. Hierdurch können wir kontrollieren, ob der Hüftkopf gut und tief in der Hüftgelenkspfanne steht oder ob Gewebe den Weg in die Pfanne versperrt.

    Der Becken-Bein-Gips wird in einer Sitz-Hock-Position angelegt. Der Fuß auf der betroffenen Seite ist mit eingeschlossen, der Intimbereich ist ausgespart. Unsere Kinderkrankenschwestern zeigen Ihnen, wie Sie Ihr Kind mit dem Becken-Bein-Gips gut pflegen können.

    Wir kontrollieren in jedem Fall durch eine MRT-Untersuchung direkt nach der Anlage des Becken-Bein-Gipses, ob der Hüftkopf richtig in der Pfanne sitzt. Der Becken-Bein-Gips bleibt in der Regel für 6 Wochen. Es erfolgt dann noch einmal eine Stabilitätsuntersuchung, nach welcher sich die weitere Behandlung richtet. Ist das Hüftgelenk stabil, wird die Behandlung mit der Tübinger Schiene fortgesetzt bis im Ultraschall ein Hüfttyp I vorliegt. Ist das Hüftgelenk noch instabil, wird nochmals ein Becken-Bein-Gips angelegt.

  • Behandlung mittels Overheadextension

    Zeigt sich in der Kontrastmitteluntersuchung Gewebe, das den Weg für den Hüftkopf in die Pfanne versperrt, ist eine Vorbehandlung über eine Overheadextension erforderlich. Hier wird zunächst beiden Beinchen in die Länge gezogen. Nach einer Woche werden die Beinchen dann zunehmend abgespreizt. Die Overheadextension wird in der Regel über 14 Tage durchgeführt. Es schließt sich eine Kontrastmitteluntersuchung in Narkose an, in der wir überprüfen, ob der Weg für den Hüftkopf in die Pfanne frei ist. Ist dies der Fall, wird direkt ein Becken-Bein-Gips angelegt.

  • Operative Behandlung

    Konnte auch durch die Overheadextension der Hüftkopf nicht in die Pfanne gebracht werden, dann muss in seltenen Fällen eine offene Reposition des Hüftkopfes durchgeführt werden. Diese Operation erfolgt etwas später. Hierbei wird die Hüftgelenkskapsel eröffnet, Fettgewebe wird aus der Pfanne entfernt, das Kopfband durchtrennt und das sogenannte Ligamentum transversum am unteren Pfannenrand eingekerbt. Hiernach lässt sich der Hüftkopf in die Pfanne bringen. Im Anschluss wird ebenfalls ein Becken-Bein-Gips angelegt.

    Wichtig ist ein möglichst frühzeitiger Therapiebeginn. Bei spätem Therapiebeginn kann je nach Ausgangsbefund eventuell keine Ausreifung der Hüften mehr erfolgen.

    Alle im Säuglingsalter behandelten Hüftgelenke müssen im Verlauf durch Röntgenaufnahmen kontrolliert werden, um sicher zu stellen, dass mit dem Wachstum eine gute Hüftpfannenentwicklung stattfindet. Eine erste Röntgenkontrolle wird etwa 6 Monate nach Laufbeginn durchgeführt. Die weiteren Kontrollen werden in Abhängigkeit des Befundes durchgeführt. Wir empfehlen Röntgenkontrollen im Alter von 5 Jahren, im Alter von 8-9 Jahren und während des pubertären Wachstumsschubs.

Behandlung der Hüftdysplasie im Kleinkindes-, Kindes- und Jugendalter

Hüftschiene bei einem Kleinkind

Die Diagnose einer Hüftdysplasie wird nach dem ersten Lebensjahr mit dem Röntgenbild gestellt. Bei der Beurteilung des Röntgenbildes werden verschiedene Linien und Winkel verwendet. Der am häufigsten gebrauchte Winkel zur Beurteilung der Hüftgelenkspfannenentwicklung im Kleinkind- und Kindesalter ist der AC-Winkel nach Hilgenreiner. Der Winkel ist altersabhängig. In Tabellen finden sich Normwerte und Werte für Abweichungen in den verschiedenen Altersgruppen. Im Jugendalter erfolgt die Beurteilung der Hüftgelenkspfanne über den Centrum-Eck Winkel (CE-Winkel) nach Wiberg.

Besteht dauerhaft eine mangelnde Überdachung des Hüftgelenkes, werden die auf das Hüftgelenk einwirkenden Kräfte auf einen kurzen Gelenkbereich übertragen. Durch diese „Überlastung“ kann sich ein vorzeitiger Verschleiß des Hüftgelenkes entwickeln, eine sogenannte Coxarthrose. Operative Maßnahmen zur Korrektur der Dysplasie im Kindesalter können dies verhindern.

Wird im Röntgenbild eine Hüftdysplasie diagnostiziert, ist für die Entscheidung über operative Maßnahmen nicht der einmalig gemessene Wert, sondern die Entwicklung der Winkelwerte im Verlauf ausschlaggebend. Sehr häufig kommt es mit dem Wachstum zu einer Verbesserung der Pfannenentwicklung. Bessert sich der AC- Winkel mit dem Wachstum nicht, sind operative Maßnahmen erforderlich. Das ideale Alter für die operative Korrektur ist im 5. bis 6. Lebensjahr vor der Einschulung. Hier ist eine Korrektur technisch am besten durchzuführen und es bleibt mit dem Wachstum noch ausreichend Zeit für adaptive Vorgänge von Hüftgelenkspfanne und Hüftkopf.

Therapie der Hüftdysplasie im Kleinkindes-, Kindes- und Jugendalter

  • Operative Therapie der Hüftdysplasie im Kindesalter

    Zur operativen Korrektur der Dysplasie im Kindesalter stehen zwei unterschiedliche Operationsverfahren zur Verfügung: die Pfannendachplastik=Acetabuloplastik und die Beckenosteotomie.

    Bei der Acetabuloplastik wird das Becken etwas oberhalb der Hüftgelenkspfanne in Richtung auf die Wachstumsfuge des Hüftgelenkes (Y-Fuge) durchtrennt. Auf der Innenseite bleibt der Knochen erhalten. Über die Elastizität des Knochens und der Wachstumsfuge kann das Pfannendach heruntergeklappt werden. Der entstehende Spalt wird mit Fremdknochen gefüllt. Eine spezielle Stabilisierung mit Drähten ist in der Regel nicht erforderlich.

    Bei der Beckenosteotomie (nach Salter) wird das Becken geradlinig oberhalb der Pfanne komplett durchtrennt. Über die Elastizität der Schambeinfuge wird das Pfannendach korrigiert. Auch bei der Beckenosteotomie wird der entstehende Spalt mit Fremdknochen gefüllt. Zudem sind Drähte zur Stabilisierung erforderlich.

    Welches Verfahren zur Anwendung kommt, ist abhängig von der Ausprägung der Hüftdysplasie und der Ausbildung der Pfanne. Beide Verfahren weisen eine Altersbegrenzung zur Durchführung auf.

    Nach der Operation muss das operierte Bein für sechs Wochen streng entlastet werden. Da dies in der Regel von den Kindern nicht konsequent erfolgen kann, ist für diese Zeit ein Rollstuhl erforderlich. Das Sitzen im Rollstuhl ist für einige Stunden am Tag erlaubt. Sie können Ihr Kind in dieser Zeit nicht im Auto transportieren. Auch ein Besuch des Kindergartens oder der Schule ist nicht möglich. Eine Gipsruhigstellung erfolgt nur bei kleinen Kindern etwa bis zum 4. Lebensjahr. Nach 6 Wochen erfolgt ein Röntgenbild. In der Regel ist der Knochen gut verheilt, so dass mit schrittweiser Belastung und Physiotherapie begonnen werden kann.

     

  • Operative Therapie der Hüftdysplasie im Jugendalter

    Wird die Hüftdysplasie erst im Jugendalter diagnostiziert, ist die Wachstumsfuge des Hüftgelenkes verschlossen und aufwendigere operative Maßnahmen zur Korrektur sind erforderlich. Welches operative Verfahren zur Anwendung kommt, ist wiederum abhängig von der Ausbildung des Hüftgelenkes. Sehr häufig wird eine sogenannte Dreifach-Beckenosteotomie durchgeführt. Hierbei werden das Sitzbein, das Schambein und das Darmbein durchtrennt. Hierdurch ist die Hüftgelenkspfanne mobil und kann im gewünschten Ausmaß über den Hüftkopf geschwenkt werden. Eine Stabilisation mit Drähten ist immer erforderlich. Das operierte Bein muss für 6-8 Wochen konsequent entlastet werden.

    Entwickelt sich eine Hüftgelenksdysplasie oder auch -luxation im Rahmen einer Grunderkrankung z.B. einer Cerebralparese oder Spina bifida, kommen im Prinzip dieselben Operationstechniken zum Einsatz. Sehr häufig ist hierbei zusätzlich eine Korrektur am hüftgelenksnahen Oberschenkel erforderlich. Informationen hierzu finden Sie unter Cerebralparese.

Checkliste Kinderorthopädie: Was Sie zum Termin bitte mitbringen

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