Cerebralparese

Kinder mit Cerebralparese haben unterschiedliche Verletzungen des unreifen Gehirns erfahren, die zu verschiedenen Bewegungsstörungen führen können. Die Enzephalopathie (also die Gehirnverletzung durch z.B. Sauerstoffmangel/Blutung/Infektion) ist ein einmaliges individuelles Ereignis, welches abgeschossen und statisch ist. Die daraus resultierenden Veränderungen für den Bewegungsapparat sind allerdings sehr dynamisch und verändern sich stark mit dem Alter des Kindes. Da die Verletzungen des Gehirns sehr unterschiedlich sein können, ist auch die Auswirkung der Verletzung für jedes Kind anders.

Individuelle und interdisziplinäre Behandlung der Cerebralparese

In der Kinderorthopädie kümmern wir uns um den Bewegungsapparat, d.h. um die Knochen und Gelenke der Kinder. Wir möchten für die Kinder, die bestmögliche selbstständige Beweglichkeit und Schmerzfreiheit und somit eine hohe Lebensqualität erreichen. Hierzu schauen wir auf die Gesamtsituation des Kindes und der Familie. Gerne besprechen wir uns auch interdisziplinär mit Ihren behandelnden Physiotherapeuten, Kinderärzten und Orthopädietechnikern, um die individuell bestmögliche Behandlung zu planen. Unser Ziel ist es, die bestmöglichen Bedingungen für Kinder mit Cerebralparese zu schaffen.

Wir analysieren zunächst genau die Auswirkungen der Cerebralparese für Ihr Kind. Hierzu zählt nicht nur die Betrachtung der Knochen auf Röntgenbildern, sondern viel mehr auch das genaue Identifizieren der zugrunde liegenden Spastik der Muskeln und die individuelle Fähigkeit Ihres Kindes, seine Muskeln anzusteuern. Weiterhin haben wir die Möglichkeit, für spezielle Fragestellungen eine instrumentelle Ganganalyse durchzuführen.

Natürlich ändern sich die Fähigkeiten und Bedürfnisse aber auch die Einschränkungen Ihres Kindes mit zunehmendem Alter. Es ist daher wichtig, regelmäßig in Kontakt zu bleiben, die Entwicklung Ihres Kindes gemeinsam mit Ihnen zu beobachten und zum richtigen Zeitpunkt Therapien durchzuführen.

Wir identifizieren somit die individuellen Probleme Ihres Kindes und besprechen und planen mit Ihnen, welche Auswirkungen die einzelnen Auffälligkeiten für Ihr Kind haben.

  • Welche Veränderungen sind mit zunehmendem Alter zu erwarten?
  • Was sind die individuellen Ziele für Ihr Kind?
  • Welche Therapieoptionen gibt es und wie können die Therapien die Prognose verändern?
  • Was bedeuten die einzelnen Therapiemöglichkeiten für Ihr Kind und Ihre Familie?

 

Wir besprechen mit Ihnen die vorgeschlagenen Therapien im Detail, so dass die Umsetzung in Ihrer Familie möglichst gut gelingen kann.

  • Ist z.B. die vorgeschlagene Hilfsmittelversorgung für Sie zu Hause durchführbar oder müssen Alternativen gesucht werden?
  • Bei operativen Therapien informieren wir Sie über die Dauer des Krankenhausaufenthaltes und die Nachbehandlung. Ist eine Ruhigstellung/ Entlastung notwendig?  Muss im Anschluss an eine Operation eine Reha geplant werden?

Konservative Therapie der Cerebralparese

  • Hilfsmittelberatung  (Stehständer, individuelle Sitzschalen usw. und Orthesen)

    Die Hilfsmittel sollen den Alltag vereinfachen und Verkürzungen der Muskeln sowie Veränderungen der Knochen vorbeugen. Hierbei ist es uns wichtig, dass alle Hilfsmittel sorgfältig ausgewählt und genau passgerecht sind. Falsche oder schlecht passende Hilfsmittel können Ihrem Kind Schmerzen bereiten und schlimmstenfalls schaden.

  • Mitevaluation

    In Zusammenarbeit mit Kollegen der Neuropädiatrie und Neurochirurgie wird über eine medikamentösen Spastikreduktion durch Botulinumtoxin und/oder Baclofen (oral- als Tablette, oder intrathekal – direkt über eine Pumpe in den Rückenmarkskanal) entschieden.

Operative Therapie der Cerebralparese

Wenn immer möglich versuchen wir operative Eingriffe beidseitig durchzuführen, um eine mehrfache Immobilisationszeit zu vermeiden. Wir empfehlen nach vielen Operationen, eine stationäre Reha, die wir gerne schon im Vorhinein mit Ihnen planen. Hier finden Sie eine kurze Übersicht zu häufig durchgeführten Operationen:

  • Knöcherne Eingriffe am Hüftgelenk – d.h.im Bereich des Beckens und des hüftgelenknahen Oberschenkels

    Durch den veränderten Muskelzug und die unübliche Belastung durch weniges oder auffälliges Gehen und Stehen kommt es häufig zu einer Fehlentwicklung der knöchernen Formgebung des Hüftgelenkes. Der Hüftkopf sitzt hierdurch nicht tief genug in der Hüftpfanne am Becken und ist verdreht (hierdurch fällt auch häufig ein nach innen gedrehtes Knie oder ein nach innen gedrehter Fuß beim Gehen auf). Diese Fehlstellung, die im Alter zunimmt, erschwert das Gehen zusätzlich zu der durch die Spastik eingeschränkten Muskelfunktion. Im schlimmsten Fall kann das Hüftgelenk auch vollständig luxieren - d.h. aus der Pfanne herausrutschen – was dann häufig zu Schmerzen, Problemen beim Sitzen und zunehmender Verformung (Skoliose) der Wirbelsäule führt. Eine Operation wird also durchgeführt:

     

    • um eine Hüftluxation und damit Schmerzen zu vermeiden 
    • um die Einstellung der Hüfte für das Gehen zu optimieren

    Das genaue Procedere der Operation (Acetabuloplastik) am Becken und/oder (Derotation-Varisationsosteotomie) am Oberschenkelknochen erklären wir Ihnen gerne in unserer Sprechstunde.

     

    Nachbehandlung Hüft OP
    Eine frühfunktionelle, gipsfreie Nachbehandlung ist bei uns Standard. Wir fertigen für Ihr Kind spezielle weiche Lagerungsmodule an, in denen es geschützt gebettet liegt, jedoch für Therapien und zum Sitzen herausgenommen werden kann. So kann Ihr Kind noch vor der Entlassung aus dem Krankenhaus in den allermeisten Fällen schon wieder für einige Stunden Sitzen und physiotherapeutisch behandelt werden. Bei Operationen ohne Beckeneingriffe ist je nach Gewicht des Patienten sogar schnell wieder eine Belastung möglich.

  • Knöcherne Eingriffe im Bereich des Kniegelenks

    Im Verlauf des Wachstums kommt es häufig zu Beugekontrakturen im Bereich der Kniegelenke, die zu einem sehr mühsamen und kraftraubendem Kauergang führen. Eine hilfreiche Orthesenversorgung ist mit Kontrakturen dann auch nicht mehr möglich. Mit der Zeit führen dieser Kauergang und die fortschreitenden Kontrakturen häufig zu einem vollständigen Verlust der Gehfähigkeit. Um Ihrem Kind wieder ein leichteres, aufrechteres Gehen und eine gute Orthesenversorgung zu ermöglichen, kann durch einen knöchernen Eingriff am kniegelenknahen Oberschenkel – die so genannte Femurextensionsosteotomie mit Patelladistalisierung, das Kniegelenk wieder begradigt werden. Bei diesem knöchernen Eingriff kommt es im Vergleich zu einer Sehnenverlängerung nicht zu einem dauerhaften Kraftverlust der Muskulatur. Im Gegenteil dazu kann die Oberschenkelmuskulatur nach der OP durch verbesserte Hebelarme wieder effektiver arbeiten.

     

    Nachbehandlung:
    Nach der OP wird das Bein nicht in einem Gips, sondern in einer weichen Schiene ruhig gestellt. Es werden schon im OP Abdrücke für Orthesen genommen, damit dies für Ihr Kind schmerzfrei ist, bzw., der Ablauf und der Rehabilitationsbeginn später nicht verzögert werden.

  • Knöcherne/weichteilige Fußoperationen

    Die Füße tragen das gesamte Körpergewicht und sind somit extrem wichtig. Schon kleine Fehlstellungen der Füße können große Auswirkungen auf den Gang haben. 
    Bei Patienten mit Cerebralparese gibt es meist mehrere Probleme, wenn die Füße wie häufig gesehen in eine starke Knickfußstellung oder auch in eine seltenere Klumpfußstellung ausweichen.

     

    • Die Orthesenversorgung wird immer schwieriger und es entstehen häufig schmerzhafte Druckstellen.
    • Das Gehen ist für den Patienten immer mühsam, da die Füße nicht mehr genügend Stabilität geben.

    Mit kombiniert knöchernen/weichteiligen Fußoperationen kann der Fuß dauerhaft in die gewünschte Position gebracht werden, um ein stabiles, schmerzfreies Gehen/Stehen zu ermöglichen. Wichtig ist eine genaue Analyse der Fehlstellung unter Berücksichtigung der knöchernen Deformierung und der muskulären Funktionen.

     

    Nachbehandlung
    Schon im OP wird ein Abdruck für eine neue Orthese genommen, so dass nach der Gipstragedauer von meistens 6 Wochen direkt und ohne Zeitverlust mit Gehübungen in den neuen Orthesen begonnen werden kann. Wenn möglich verwenden wir spezielle Implantate, die schon eine Belastung d. h. das Gehen nach der OP im Gips ermöglichen. So wird eine lange Entlastungszeit im Rollstuhl mit Muskelabbau verhindert.

  • Weichteilige OP im Bereich der Wadenmuskulatur beim Spitzfuß

    Sehr häufig fällt bei Kindern mit Cerebralparese ein Gehen auf den Zehenspitzen auf. Zunächst, kann der Fuß häufig im Stehen noch mit der Ferse aufgesetzt werden, so dass konservative Therapie mit Physiotherapie, ggfs. Orthesenversorgung und einer Spastikreduktion ausreichend ist. Ist die Wadenmuskulatur allerdings so verkürzt, dass auch ohne Belastung der Fuß nicht mehr in die Neutralstellung gebracht werden kann und die Ferse beim Stehen nicht auf den Boden kommt, ist eine Orthesenversorgung nicht mehr möglich. Das Gehen wird durch die Verkürzung der langen Wadenmuskulatur immer mühsamer und das Gleichgewicht kann schlechter gehalten werden. Zusätzlich zur Physiotherapie ist dann meist ein kleiner Eingriff zur gezielten Verlängerung der Wadenmuskulatur notwendig. 
    Die Wadenmuskulatur besteht hauptsächlich aus 2 großen Muskeln, hiervon ist häufig nur einer verkürzt. Anders als bei der Achillessehnenverlängerung, die häufig zu einem Kraftverlust nach der OP führt, da beide Muskeln geschwächt werden, kann durch die intramuskuläre Verlängerung eines Muskels gezielt nur der verkürzte Anteil angegangen werden. 

     

    Nachbehandlung:
    Nach der OP kann Ihr Kind mit einem Gips das operierte Bein belasten. Schon im OP werden Abdrücke für Orthesen genommen, so dass nach Beendigung der Gipstragezeit ohne Zeitverlust direkt die Orthesen ausgeliefert werden können. 

Die hier aufgeführten Therapieverfahren sind nur Beispiele für häufig angewendete Operationen. In unserer Sprechstunde besprechen wir mit Ihnen und Ihrem Kind gerne ausführlich, welche Therapien für Ihr Kind die bestmöglichen Chancen bieten.

 

Checkliste Kinderorthopädie: Was Sie zum Termin bitte mitbringen

Um eine möglichst umfassende und reibungslose Konsultation zu gewährleisten, bitten wir Sie, folgende Dokumente zur Sprechstunde mitzubringen:

  • Versichertenkarte
  • Patient*in mit Sorgeberechtigten 
  • Einweisung/ Überweisung  
  • Vorbefunde, Unterlagen, Röntgenbilder, CT, MRT sofern vorhanden auf CD

Telefonischen Terminvergabe unter 040 67377-480, montags bis donnerstags von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 15 Uhr sowie freitags von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 14:30 Uhr.

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Vorbefunde, Unterlagen, Röntgenbilder, etc.

Infos zur Datenschutzerklärung finden Sie hier.

Ihre Kinderorthopädie Expert*innen

Dr. med. Kornelia Babin
Chefärztin der Kinderorthopädie

Dr. med. Kornelia Babin

Holger Ammerlahn
Oberarzt Orthopädie

Holger Ammerlahn

Dr. med. Nicola Ebert
Oberärztin Orthopädie

Dr. med. Nicola Ebert

Maidi Kirchmann
Leitende Oberärztin Orthopädie

Maidi Kirchmann

Dr. med. Thomas Weßling
Oberarzt Orthopädie

Dr. med. Thomas Weßling

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