Achsabweichungen und Beinlängendifferenzen

X- und O-Beine sowie komplexe Fehlstellungen gehören zu den Achsabweichungen und Beinlängendifferenzen.

X- beziehungsweise O-Bein

Die Achsverhältnisse im Kniegelenk durchlaufen im Rahmen der normalen kindlichen Entwicklung vom Säugling über das Kleinkind bis zum Erwachsenen charakteristische Veränderungen. Die Kenntnis der entsprechenden Entwicklung ist wichtig um die normale Entwicklung von einem krankhaften Zustand zu unterscheiden. 

Bei der Geburt besteht typischerweise eine O-Beinstellung, welche sich bis zum zweiten Lebensjahr normalisieren sollte. Das 3.-5. Lebensjahr ist das typische X- Bein Alter. Hiernach sollte sich die Beinachse bis zum 10. Lebensjahr normalisieren und in eine gerade Beinachse übergehen. Besteht nach dem 10. Lebensjahr eine entsprechende Fehlstellung, ist eine kinderorthopädische Abklärung empfehlenswert, um einen entsprechenden Behandlungsbedarf rechtzeitig feststellen zu können. Bei deutlich über das normale Maß hinausgehenden Abweichungen, einseitigen Fehlstellungen, Einschränkungen der Gelenkbeweglichkeit und auffälliger Körpergröße (insbesondere Kleinwuchs) sollte an das Vorliegen einer Grunderkrankung (z.B. Skelettdysplasie, Rachitis) gedacht werden.

Im Kindes- und Jugendalter verursacht ein X- oder O-Bein in der Regel keine Beschwerden. Lediglich das äußere Erscheinungsbild kann manchmal von den Kindern oder Eltern als störend empfunden werden. Entscheidend für eine Therapieentscheidung ist jedoch ob durch das X- oder O-Bein eine Fehlbelastung des Kniegelenkes hervorgerufen wird. Diese stellt ein Risiko für einen frühzeitigen Gelenkverschleiß im jungen oder mittleren Erwachsenenalter da.  

Was passiert? 

Normalerweise verläuft die Belastungslinie mittig durch das Kniegelenk. Es findet somit eine gleichmäßige Belastung des gesamten Kniegelenkes statt.
Beim X-Bein verschiebt sich diese Linie in den äußeren Bereich des Kniegelenkes, beim O-Bein in den inneren Bereich des Kniegelenkes. Hierdurch kann über die Jahre ein vermehrter und vorzeitiger Verschleiß des Kniegelenkes auftreten.

Solange in den kniegelenknahen Wachstumsfugen noch ausreichend Wachstumspotential besteht, kann durch eine gezielte Wachstumslenkung eine Begradigung der Beinachse bewirkt werden. Dies wird über eine Operation erreicht, bei der entweder an der Innenseite des Kniegelenkes (X-Bein) oder an der Außenseite des Kniegelenkes (O-Bein) die Wachstumsfuge mit speziellen Metallklammern oder Plättchen überbrückt werden und damit das Wachstum in diesem Bereich verlangsamt wird (Temporäre Epiphysiodese).

Nach dieser „kleinen“ Operation, ist eine stationäre Entlassung normalerweise nach nur wenigen Tagen möglich. Eine längere Ruhigstellung ist hier nicht erforderlich. Gehstützen werden nur für die ersten Tage nach der Operation benötigt. Im Rahmen des Körperwachstums kommt es dann im Verlauf zu einer Begradigung der Beinachsen. Ist dies erreicht, müssen die eingebrachten Implantate rechtzeitig wieder entfernt werden, um ein überschießendes Wachstum in die Gegenrichtung zu verhindern. Daher sind in dieser Phase regelmäßige Kontrollen wichtig.

Um zu entscheiden, ob eine operative Korrektur erforderlich ist, wird nach der klinischen Untersuchung eine spezielle Röntgenuntersuchung - eine Ganzbeinstandaufnahme durchgeführt. Diese wird mit einem speziellen Programm vermessen. Hierbei wird die Belastungslinie im Bereich des Kniegelenkes eingezeichnet und alle wichtigen Gelenkwinkel werden vermessen. Anhand dieser Daten können wir genau entscheiden, ob eine Operation erforderlich ist und an welcher Stelle im Bereich des Kniegelenkes die Klammern oder Plättchen eingebracht werden müssen. Zudem wird das Knochenalter bestimmt, um die noch vorhandene Wachstumspotenz zu berechnen.

Wichtig ist es, dass die Operation nicht zu früh oder zu spät durchgeführt wird. Wird die Operation zu früh durchgeführt, besteht eine große Gefahr, dass die Fehlstellung wieder auftritt. Bei zu später Vorstellung kann die Fehlstellung ggfs. nicht mehr vollständig durch die „einfache“ Wachstumslenkung korrigiert werden. Das ideale Alter für eine operative Korrektur liegt bei Jungen zwischen dem 12. -14. bei Mädchen etwa vom 11.-13. Lebensjahr.

Wird eine behandlungsbedürftige Fehlstellung erst nach Wachstumsabschluss festgestellt, ist eine operative Korrektur nur noch durch eine knöcherne Umstellungsoperation möglich. Auch diese Operationen werden von uns routinemäßig durchgeführt. Der operative Eingriff und die Nachbehandlung sind hier in der Regel aufwändiger und beinhalten eine längere Entlastungsphase mit eingeschränkter Mobilität. Eine vorzeitige Korrektur der Fehlstellung im Wachstumsalter ist daher empfehlenswert.

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Komplexe Achsdeformitäten

Seltene Knochenerkrankungen wie z.B. der Phosphatdiabetes können sekundär zu deutlichen Fehlstellungen des Oberschenkels oder des Schienbeines führen. Ebenso kann es beispielsweise nach einem Unfall oder einer Entzündung im Knochen zu einem vorzeitigen Verschluss der Wachstumsfuge kommen. Auch hierdurch können sowohl Fehlstellungen mit groteskem Bewegungsausmaß wie z.B. der massiven Überstreckbarkeit des Kniegelenkes als auch Beinlängendifferenzen entstehen. Dies führt früher oder später zu einem frühzeitigen Gelenkverschleiß, daher sollte man Fehlstellungen, die ein gewisses Maß überschreiten, nicht so belassen. 

Es bedarf zunächst einer exakten Deformitätenanalyse, die wir anhand digital angefertigter Röntgenbilder machen. Mit Hilfe einer entsprechenden Software werden diese Bilder analysiert. Es wird der Punkt der größten Fehlstellung sowie der Beinlängenunterschied exakt bestimmt. 
So kann es unter Umständen notwendig sein, dass nicht nur eine Fehlstellung des Unterschenkels wie z.B. eine O- Beinstellung adressiert werden muss, sondern zeitgleich eine Verkürzung etwa des Unterschenkels. Der Knochen wird zur Korrekturoperation oftmals am Ort der größten Fehlstellung durchtrennt. 

Durch den Einsatz von Verlängerungsmarknägeln ist es möglich, zwei Probleme in einer Operation anzugehen. Zunächst kann die Fehlstellung durch das exakte Einbringen eines dieser Merknägel korrigiert werden, in einem zweiten Schritt dann der verkürzte Knochen verlängert werden. 
Zudem kann z.B. durch den Einsatz eines Hexapodenfixateurs (Ringfixateur) zunächst die Gelenkfläche des Kniegelenkes rekonstruiert, im nächsten Schritt der Unterschenkel verlängert werden. 
Glücklicherweise sind diese Fehlstellungen recht selten. Sie werden von uns als Team seit mehreren Jahren regelmäßig behandelt, ob durch den Einsatz eines Hexapodenfixateurs von außen angebracht oder durch das Einbringen eines verlängerbaren Marknagels.
 

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Beinlängendifferenzen

Beinlängendifferenzen können aus ungeklärter Ursache, nach einem Unfall oder aber aufgrund einer Fehlbildung der Beine entstehen. Nicht immer führen Differenzen der Beinlängen zu Beschwerden, ca. 80 Prozent der Bevölkerung haben unbemerkt eine solche Beinlängendifferenz. Überschreiten diese jedoch ein gewisses Ausmaß, so kann es zu Auffälligkeiten des Gangbildes kommen oder zu Schmerzen etwa im Bereich des Rückens oder der Hüft- und Kniegelenke. 

Nach der körperlichen Untersuchung erfolgt, falls erforderlich, zur genaueren Bestimmung der knöchernen Beinlänge eine Röntgen Ganzbeinstandaufnahme. Diese wird mit Hilfe einer Software exakt vermessen. Es kann bestimmt werden, ob der Unter- oder Oberschenkel zu kurz ist. Bei nicht ausgewachsenen Kindern kann zudem das restliche Wachstum der Beine errechnet werden. Dann werden wir gemeinsam mit Ihnen ein für Ihr Kind passendes Therapiekonzept erstellen. 
Grundsätzlich gibt es konservative und operative Therapieoptionen, wobei nicht jeder Beinlängenunterschied einer Therapie bedarf. 

Konservative Therapieoptionen

Geringe Beinlängendifferenzen können durch eine Einlage oder/und einen Schuherhöhung ausgeglichen werden. Größere Beinlängendifferenzen erfordern meist eine zusätzliche orthetische Versorgung um ausreichend Stabilität zu erreichen. Hierüber entscheiden wir individuell auch nach den Bedürfnissen des Patienten.

Operative Therapieoptionen 

Wachstumsbremsung

Das „längere“  Bein, d.h. entweder der Ober- und/oder der Unterschenkel kann in seinem Wachstum dauerhaft oder temporär gebremst werden. Dieses kann durch eine verhältnismäßig kleine und unkomplizierte Operation erfolgen. Hierbei werden Klammern oder Plättchen im Bereich der Wachstumsfuge eingebracht, welche das Wachstum bremsen. Die Kinder müssen nach der Operation nur wenige Tage im Krankenhaus bleiben, dürfen in der Regel beide Beine voll belasten und müssen nur etwa 4 Wochen auf Sport verzichten.  Im weiteren Verlauf müssen die Beinachse sowie die Beinlänge kontrolliert werden. Wenn sich die Beinlänge ausgeglichen hat, können die Klammern oder Plättchen, wieder operativ entfernt werden. Grundvoraussetzung für diese Operation ist ein ausreichendes Wachstumspotenzial des Kindes, das wir unter anderem anhand von bestimmten Berechnungsmethoden vor der Operation ermitteln. Diese Operationsmethode eignet sich insbesondere für geringere Beinlängendifferenzen.

Beinverlängerungen

Marknagel 
Eine weitere Möglichkeit stellt operative Beinverlängerung  des „zu kurzen“ Beines dar. Bei ausgewachsenen, bzw. fast ausgewachsenen Kindern kann eine solche Operation durch den Einbau eines sogenannten „Marknagel“  erfolgen, der über kleine Schnitte in den Knochen eingebracht wird. Der Einbau von Marknägeln erfolgt seit Jahren in der Unfallchirurgie bei der Behandlung von Brüchen. Der Marknagel zur Beinverlängerung hat einen Teleskopmechanismus und wird über eine magnetische Spule mehrfach am Tag über eine sehr kurze Strecke auseinandergefahren, um die Weichteile an die Verlängerung zu gewöhnen. Somit wird der Ober-/Unterschenkel um maximal einen Milimeter pro Tag verlängert. Seit 2019 gibt es von der Herstellerfirma einen solchen Marknagel, bei dem die Kinder ab dem ersten Tag nach der Operation das operierte Bein voll belasten können. Der Marknagel wird dann nach ca. einem Jahr wieder in einer kleineren Operation entfernt.

Fixateur
Sind die Kinder noch im Wachstum oder aber es kommen noch Fehlbildungen wie z.B. Reduktionsdefekte (fibuläre Hemimelie, tibiale Hemimelie, proximaler Femurdefekt) oder Fehlstellungen nach einem Unfall hinzu, so kann sowohl die Fehlstellung als auch der Beinlängenunterschied durch einen Ringfixateur (Hexapodenfixateur) korrigiert werden. Hier berechnen wir anhand eines digital vermessenen Röntgenbildes die Fehlstellung, bzw. den Unterschied. Wir berechnen zur Therapieplanung den zu erwartenden Beinlängenunterschied wenn Ihr Kind ausgewachsen ist. 

Nach der Operation verbleiben die Kinder meist etwas länger als eine Woche im Krankenhaus und wir beginnen während des Krankenhausaufenthaltes mit der Beinverlängerung/Korrektur der Fehlstellung. Die Eltern der Kinder werden von uns und dem Team der Krankenpflege sowie der Physiotherapie mit dem Umgang des Fixateurs geschult. 

Das operierte Bein kann nach der Operation zunächst nicht belastet werden. Wenn sich ausreichend neuer Knochen gebildet hat, kann der Fixateur wieder in einer kurzen Operation abgenommen werden. 
 

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